Der Begriff Staatsmodell wird insbesondere in der Politik Rechts und Wirtschaftswissenschaft zur modellhaften Charakteri
Staatsmodell

Der Begriff Staatsmodell wird insbesondere in der Politik-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaft zur modellhaften Charakterisierung von Staaten verwendet, wobei im Rahmen der Beschreibung und modernen begrifflichen Fixierung von Staatstypen in der Regel jeweils als wesentlich erachtete Merkmale in den Vordergrund gestellt werden. Staatsmodelle können Bestandteil einer politischen Philosophie, wissenschaftlichen Theorie, Utopie oder auch Ideologie sein. In der Literatur werden einzelne Staatsmodelle als Idealtyp, Ideal, Metapher oder Leitbild gekennzeichnet und auf spezifische Ideen, Konzepte oder Konstrukte zurückgeführt.
Zwar werden Staatsbegriffe, mit denen die formale Gliederung der staatlichen Institutionen sowie Herrschaftsform und Regierungssystem beschrieben werden, auch als Staatsmodelle bezeichnet (unter anderem Aristokratie, Demokratie, Diktatur, Monarchie, Republik); allerdings wird für diese speziellen Modelle ebenso der weitaus enger gefasste und somit genauere wissenschaftliche Fachbegriff der Staatsform verwendet.
Weiter gefasst als der Begriff Staatsmodell ist demgegenüber der Begriff des politischen Systems; Staat ist zwar wesentlicher Inhalt des Begriffs, jedoch nicht der ausschließliche.
Typologien
Typologien von Staatsmodellen können – je nachdem welche Aspekte bei der Beschreibung und vergleichenden Analyse von Begriffen an Bedeutung gewinnen – unterschiedlich ausfallen. So zeigte der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse in seinem Aufsatz Typologie politischer Systeme der Gegenwart, dass Staatsmodelle beispielsweise „nach geografischen (z. B. Flächenstaat), nach ökonomischen (z. B. Industriestaat)“ oder „nach demographischen (z. B. Nationalitätenstaat)“ Gesichtspunkten unterschieden werden könnten. Würde dieser Ansatz weiter verfolgt werden, so ließen sich zahlreiche weitere Kriterien der Unterscheidung finden. So unter anderen soziale (Personenverbandsstaat, Wohlfahrtsstaat, Sozialstaat), kulturelle und nationale (Kulturstaat, Nationalstaat), institutionelle (Fürstenstaat, Beamtenstaat, Parteienstaat, Schlanker Staat), rechtliche (Rechtsstaat), qualitative (Starker Staat) und moralisch-ethische (Obrigkeitsstaat, Unrechtsstaat). Unter dem geografischen Gesichtspunkt ließen sich zudem noch Territorialstaat, Kleinstaat, Stadtstaat, Inselstaat, Binnenstaat und Weltstaat zu einer Gruppe klassifizieren. Jesse ergänzte indessen: „Man kann [u. a.] nach der Staatsform differenzieren (z. B. Republik oder Monarchie), nach der internationalen Bedeutung des Staates (z. B. Großmacht) oder danach, wie die Macht im Staat verteilt ist (z. B. Einheitsstaat oder Bundesstaat).“ Im Rahmen der Suche nach einer geeigneten Typologie für die Gegenwart betrachtete er allerdings die Frage als wesentlich, ob „die politische Führung durch den Willen der Bevölkerung legitimiert ist oder nicht“; zugespitzt in der Formel „Demokratie oder Diktatur“. Demgemäß konzentrierte er sich bei seiner Untersuchung und näheren Klassifizierung auf Demokratietheorien, Autoritarismustheorien und Totalitarismustheorien.
Typologien und deren Ergebnisse hängen allgemein vom jeweiligen Forschungsinteresse des Wissenschaftlers und dem Ausdifferenzierungsgrad bei der Klassifizierung ab. So können Staatsmodelle auch unter dem Aspekt verglichen werden, welche Funktion oder welchen Zweck sie erfüllen. Während des Ersten Weltkriegs wurde zum Beispiel die Frage brisant, „welches Staatsmodell friedens- oder kriegsfördernd und welches Staatsmodell dem anderen im und nach dem Krieg überlegen sei“. Spezifische Staatsmodelle werden je nach Zeit und Ort als mehr oder weniger bedeutsam erachtet. Zudem unterliegt die öffentliche Wahrnehmung von Staatsmodellen den Veränderungen in den Gesellschaftstheorien. In seinem Aufsatz Diskurse über Staatsaufgaben nahm der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann eine historische Perspektive ein, indem er sich fragte, welchen Modellen seit dem 16. Jahrhundert in Europa hinsichtlich der Frage nach den Staatsaufgaben besondere Bedeutung beigemessen wurde. Dabei legte er sich auf vier als grundlegend erachtete Typen fest: Nach ihm sei etwa zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert der Polizeistaat das dominierende Modell gewesen. Im Zuge der Konsolidierung der Staatsentwicklung entwickelte sich der moderne Rechtsstaat. Zwischen den 1920er und 1970er Jahren spielte das Modell des Sozialstaats die herausragende Rolle; abgelöst seitdem durch den „Steuerungsstaat“, in dem der Staat mit Blick auf die Handlungsprämissen von politischen Akteuren „die spezifischen Eigenarten des Interventionsfeldes und die Interessen der betroffenen Akteure berücksichtigt“.
Aus der Perspektive der Verwaltungsrechtswissenschaft wird die historische Abfolge von als wesentlich erachteten Staatsmodellen wiederum anders gesehen. So sind in dieser Wissenschaft um die Wende zum 21. Jahrhundert zwei Vorstellungen verbreitet: Erstens die, dass eine Entwicklung vom Rechtsstaat über den Sozialstaat bis hin zum Umweltstaat stattgefunden habe. Und zweitens diejenige, bei der nach dem Modell des von Thomas Hobbes konzipierten Obrigkeitsstaats der bereits bei John Locke angelegte und später von Ernst Fraenkel definierte neoliberale Minimalstaat, sodann der pluralistische „Verhandlungsstaat“ sowie der „funktionale Staat“ folgt. Die Rechtswissenschaftlerin Susanne Baer nahm zwar das zuletzt genannte Grundschema auf, kritisierte allerdings dessen Ausdifferenzierungsgrad aufgrund des fehlenden Sozialstaatsmodells, denn sowohl das Sozialrecht als auch das Verfahrensrecht sei durch das Staat-Bürger-Verhältnis mitgeprägt. Unter diesem Vorzeichen setzte sie sich näher mit verschiedenartigen Staatstypen auseinander, die an das Modell des Sozialstaats angelehnt sind (Präventionsstaat, Schutz-Staat, schlanker Staat, Leistungsstaat, Gewährleistungsstaat, aktivierender Staat, Verhandlungsstaat, kooperativer Staat).
Literatur
- Wolfgang Reinhard (Hrsg.): Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse (= Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien. Bd. 47). München 1999, ISBN 978-3-486-56416-7 (Digitalisat).
- Anton Szanya: Der Traum des Josef Scheicher. Staatsmodelle in Österreich 1880–1900. Studien Verlag, Innsbruck 2009, ISBN 978-3-7065-4424-5.
Einzelnachweise
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- Steffen Kailitz (Hrsg.): Schlüsselwerke der Politikwissenschaft. Wiesbaden 2007, ISBN 3-531-14005-1, S. 337; Stefan Braum: Europäische Strafgesetzlichkeit. Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-465-03245-4, S. 322.
- Zu Platons utopisches Staatsmodell: Ekkehard Martens: Philosophie und Bildung. Beiträge zur Philosophiedidaktik. Münster 2005, ISBN 3-8258-8898-3, S. 238; Pirmin Stekeler-Weithofer: Philosophiegeschichte. Berlin/New York 2006, ISBN 3-11-018556-3, S. 23; zu Morus utopisches Staatsmodell: Erik Zyber: Homo utopicus. Würzburg 2007, ISBN 3-8260-3550-X, S. 46.
- Hans-Georg Soeffner (Hrsg.): Figurative Politik. Zur Performanz der Macht in der modernen Gesellschaft. Opladen 2002, ISBN 3-8100-2631-X, S. 95; Oswald Wiener: Schriften zur Erkenntnistheorie. Wien/New York 1996, ISBN 3-211-82694-7, S. 8; Johan Hendrik Jacob van der Pot: Die Bewertung des technischen Fortschritts. Eine systematische Übersicht der Theorien. Bd. 1. Assen 1985, ISBN 90-232-1976-7, S. 332.
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- Reinhold Zippelius: Geschichte der Staatsideen. München 2003, ISBN 3-406-49494-3, S. 23.
- Seiji Osawa: Georg Büchners Philosophiekritik. Eine Untersuchung auf der Grundlage seiner Descartes- und Spinoza-Exzerpte. Marburg 1999, ISBN 3-8288-8067-3, S. 140.
- Susanne Baer: „Der Bürger“ im Verwaltungsrecht. Subjektkonstruktion durch Leitbilder vom Staat. Tübingen 2006, ISBN 3-16-147514-3, S. 89 ff.; Leonhard Alexander Burckhardt: Politische Strategien der Optimaten in der späten römischen Republik. Stuttgart 1988, ISBN 3-515-05098-1, S. 271.
- Francis Cheneval (Hrsg.): Legitimationsgrundlagen der Europäischen Union. Münster/Hamburg/London 2005, ISBN 3-8258-8011-7, S. 306; Arthur Benz: Der moderne Staat. Grundlagen der politologischen Analyse. Oldenbourg, München/Wien 2001, ISBN 3-486-23636-9, S. 21.
- Anton Bierl: Antike Literatur in neuer Deutung. Saur, München/Leipzig 2004, ISBN 3-598-73016-0, S. 231; Armin von Bogdandy (Hrsg.): Europäisches Verfassungsrecht. Theoretische und dogmatische Grundzüge. Berlin/Heidelberg [u. a.] 2003, ISBN 3-540-43834-3, S. 100; Roland Mugerauer: Sokratische Pädagogik. Marburg 1992, ISBN 3-929019-50-7, S. 154.
- Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung. Wiesbaden 2006, ISBN 3-8100-2635-2, S. 84; Thorsten Anderl: Gesetzgebung und kooperatives Regierungshandeln. Berlin 2006, ISBN 3-8305-1257-0, S. 147; Rolf Gröschner: Rechts- und Staatsphilosophie. Ein dogmenphilosophischer Dialog. Berlin/Heidelberg [u. a.] 2000, ISBN 3-540-64628-0, S. 25.
- Aristokratie: Eckart Schütrumpf (Hrsg.): Aristoteles. Bd. 9: Politik, Teil 4. Buch VII–VIII: Über die beste Verfassung. Berlin 2005, ISBN 3-05-003561-7, S. 111; Demokratie: Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung. Wiesbaden 2006, S. 89; Diktatur: Paul Kevenhörster: Politikwissenschaft. Bd. 1. 3. Aufl., Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-15214-1, S. 237; Monarchie: Christoph Sowada: Der gesetzliche Richter im Strafverfahren. Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017066-3, S. 56; Republik: Thomas Becker: Die Hegemonie der Moderne. Hildesheim/Zürich [u. a.] 1996, ISBN 3-487-10134-3, S. 19.
- Hiltrud Naßmacher: Politikwissenschaft. 5., bearb. und erw. Aufl., Oldenbourg, München/Wien 2004, ISBN 3-486-20037-2, S. 314 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche); diese Begrifflichkeit hat zudem eine lange Tradition in Deutschland, dargelegt etwa in Friedrich Harms: Abhandlungen zur systematischen Philosophie. Berlin 1868, S. 42 ff. (online in der Google-Buchsuche).
- Otfried Jarren, Patrick Donges: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung. 2., überarb. Aufl., Wiesbaden 2006, ISBN 3-531-33373-9, S. 73.
- Eckhard Jesse: Typologie politischer Systeme der Gegenwart. In: Grundwissen Politik. Hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung. 2., völlig neu überarb. Aufl., Bonn 1993, ISBN 3-89331-154-8, S. 165.
- Martin Greiffenhagen (Hrsg.): Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Ein Lehr- und Nachschlagewerk. Opladen 1981, ISBN 3-531-21516-7, S. 484; Steffen Kailitz (Hrsg.): Schlüsselwerke der Politikwissenschaft. Wiesbaden 2007, ISBN 3-531-14005-1, S. 78.
- Peter Hoeres: Der Krieg der Philosophen. Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg. Paderborn/München [u. a.] 2004, ISBN 3-506-71731-6, S. 39.
- Franz-Xaver Kaufmann: Diskurse über Staatsaufgaben. In: Dieter Grimm (Hrsg.): Staatsaufgaben. Frankfurt am Main 1996, S. 15–41.
- Otfried Jarren, Patrick Donges: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung. 2., überarb. Aufl., Wiesbaden 2006, S. 74. (Jarren und Donges bezogen sich bei dieser Definition auf den angegebenen Aufsatz von Kaufmann.)
- Susanne Baer: „Der Bürger“ im Verwaltungsrecht. Subjektkonstruktion durch Leitbilder vom Staat. Tübingen 2006, S. 89 f.
Autor: www.NiNa.Az
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Der Begriff Staatsmodell wird insbesondere in der Politik Rechts und Wirtschaftswissenschaft zur modellhaften Charakterisierung von Staaten verwendet wobei im Rahmen der Beschreibung und modernen begrifflichen Fixierung von Staatstypen in der Regel jeweils als wesentlich erachtete Merkmale in den Vordergrund gestellt werden Staatsmodelle konnen Bestandteil einer politischen Philosophie wissenschaftlichen Theorie Utopie oder auch Ideologie sein In der Literatur werden einzelne Staatsmodelle als Idealtyp Ideal Metapher oder Leitbild gekennzeichnet und auf spezifische Ideen Konzepte oder Konstrukte zuruckgefuhrt Zwar werden Staatsbegriffe mit denen die formale Gliederung der staatlichen Institutionen sowie Herrschaftsform und Regierungssystem beschrieben werden auch als Staatsmodelle bezeichnet unter anderem Aristokratie Demokratie Diktatur Monarchie Republik allerdings wird fur diese speziellen Modelle ebenso der weitaus enger gefasste und somit genauere wissenschaftliche Fachbegriff der Staatsform verwendet Weiter gefasst als der Begriff Staatsmodell ist demgegenuber der Begriff des politischen Systems Staat ist zwar wesentlicher Inhalt des Begriffs jedoch nicht der ausschliessliche TypologienTypologien von Staatsmodellen konnen je nachdem welche Aspekte bei der Beschreibung und vergleichenden Analyse von Begriffen an Bedeutung gewinnen unterschiedlich ausfallen So zeigte der Politikwissenschaftler Eckhard Jesse in seinem Aufsatz Typologie politischer Systeme der Gegenwart dass Staatsmodelle beispielsweise nach geografischen z B Flachenstaat nach okonomischen z B Industriestaat oder nach demographischen z B Nationalitatenstaat Gesichtspunkten unterschieden werden konnten Wurde dieser Ansatz weiter verfolgt werden so liessen sich zahlreiche weitere Kriterien der Unterscheidung finden So unter anderen soziale Personenverbandsstaat Wohlfahrtsstaat Sozialstaat kulturelle und nationale Kulturstaat Nationalstaat institutionelle Furstenstaat Beamtenstaat Parteienstaat Schlanker Staat rechtliche Rechtsstaat qualitative Starker Staat und moralisch ethische Obrigkeitsstaat Unrechtsstaat Unter dem geografischen Gesichtspunkt liessen sich zudem noch Territorialstaat Kleinstaat Stadtstaat Inselstaat Binnenstaat und Weltstaat zu einer Gruppe klassifizieren Jesse erganzte indessen Man kann u a nach der Staatsform differenzieren z B Republik oder Monarchie nach der internationalen Bedeutung des Staates z B Grossmacht oder danach wie die Macht im Staat verteilt ist z B Einheitsstaat oder Bundesstaat Im Rahmen der Suche nach einer geeigneten Typologie fur die Gegenwart betrachtete er allerdings die Frage als wesentlich ob die politische Fuhrung durch den Willen der Bevolkerung legitimiert ist oder nicht zugespitzt in der Formel Demokratie oder Diktatur Demgemass konzentrierte er sich bei seiner Untersuchung und naheren Klassifizierung auf Demokratietheorien Autoritarismustheorien und Totalitarismustheorien Typologien und deren Ergebnisse hangen allgemein vom jeweiligen Forschungsinteresse des Wissenschaftlers und dem Ausdifferenzierungsgrad bei der Klassifizierung ab So konnen Staatsmodelle auch unter dem Aspekt verglichen werden welche Funktion oder welchen Zweck sie erfullen Wahrend des Ersten Weltkriegs wurde zum Beispiel die Frage brisant welches Staatsmodell friedens oder kriegsfordernd und welches Staatsmodell dem anderen im und nach dem Krieg uberlegen sei Spezifische Staatsmodelle werden je nach Zeit und Ort als mehr oder weniger bedeutsam erachtet Zudem unterliegt die offentliche Wahrnehmung von Staatsmodellen den Veranderungen in den Gesellschaftstheorien In seinem Aufsatz Diskurse uber Staatsaufgaben nahm der Soziologe Franz Xaver Kaufmann eine historische Perspektive ein indem er sich fragte welchen Modellen seit dem 16 Jahrhundert in Europa hinsichtlich der Frage nach den Staatsaufgaben besondere Bedeutung beigemessen wurde Dabei legte er sich auf vier als grundlegend erachtete Typen fest Nach ihm sei etwa zwischen dem 16 und 18 Jahrhundert der Polizeistaat das dominierende Modell gewesen Im Zuge der Konsolidierung der Staatsentwicklung entwickelte sich der moderne Rechtsstaat Zwischen den 1920er und 1970er Jahren spielte das Modell des Sozialstaats die herausragende Rolle abgelost seitdem durch den Steuerungsstaat in dem der Staat mit Blick auf die Handlungspramissen von politischen Akteuren die spezifischen Eigenarten des Interventionsfeldes und die Interessen der betroffenen Akteure berucksichtigt Aus der Perspektive der Verwaltungsrechtswissenschaft wird die historische Abfolge von als wesentlich erachteten Staatsmodellen wiederum anders gesehen So sind in dieser Wissenschaft um die Wende zum 21 Jahrhundert zwei Vorstellungen verbreitet Erstens die dass eine Entwicklung vom Rechtsstaat uber den Sozialstaat bis hin zum Umweltstaat stattgefunden habe Und zweitens diejenige bei der nach dem Modell des von Thomas Hobbes konzipierten Obrigkeitsstaats der bereits bei John Locke angelegte und spater von Ernst Fraenkel definierte neoliberale Minimalstaat sodann der pluralistische Verhandlungsstaat sowie der funktionale Staat folgt Die Rechtswissenschaftlerin Susanne Baer nahm zwar das zuletzt genannte Grundschema auf kritisierte allerdings dessen Ausdifferenzierungsgrad aufgrund des fehlenden Sozialstaatsmodells denn sowohl das Sozialrecht als auch das Verfahrensrecht sei durch das Staat Burger Verhaltnis mitgepragt Unter diesem Vorzeichen setzte sie sich naher mit verschiedenartigen Staatstypen auseinander die an das Modell des Sozialstaats angelehnt sind Praventionsstaat Schutz Staat schlanker Staat Leistungsstaat Gewahrleistungsstaat aktivierender Staat Verhandlungsstaat kooperativer Staat LiteraturWolfgang Reinhard Hrsg Verstaatlichung der Welt Europaische Staatsmodelle und aussereuropaische Machtprozesse Schriften des Historischen Kollegs Kolloquien Bd 47 Munchen 1999 ISBN 978 3 486 56416 7 Digitalisat Anton Szanya Der Traum des Josef Scheicher Staatsmodelle in Osterreich 1880 1900 Studien Verlag Innsbruck 2009 ISBN 978 3 7065 4424 5 EinzelnachweiseCorinna Laude Gilbert Hess Hrsg Konzepte von Produktivitat im Wandel vom Mittelalter in die Fruhe Neuzeit Berlin 2008 ISBN 978 3 05 004333 3 S 30 Klaus M Girardet Ulrich Nortmann Hrsg Menschenrechte und europaische Identitat Die antiken Grundlagen Stuttgart 2005 ISBN 3 515 08637 4 S 115 Steffen Kailitz Hrsg Schlusselwerke der Politikwissenschaft Wiesbaden 2007 ISBN 3 531 14005 1 S 337 Stefan Braum Europaische Strafgesetzlichkeit Frankfurt am Main 2003 ISBN 3 465 03245 4 S 322 Zu Platons utopisches Staatsmodell Ekkehard Martens Philosophie und Bildung Beitrage zur Philosophiedidaktik Munster 2005 ISBN 3 8258 8898 3 S 238 Pirmin Stekeler Weithofer Philosophiegeschichte Berlin New York 2006 ISBN 3 11 018556 3 S 23 zu Morus utopisches Staatsmodell Erik Zyber Homo utopicus Wurzburg 2007 ISBN 3 8260 3550 X S 46 Hans Georg Soeffner Hrsg Figurative Politik Zur Performanz der Macht in der modernen Gesellschaft Opladen 2002 ISBN 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a 2000 ISBN 3 540 64628 0 S 25 Aristokratie Eckart Schutrumpf Hrsg Aristoteles Bd 9 Politik Teil 4 Buch VII VIII Uber die beste Verfassung Berlin 2005 ISBN 3 05 003561 7 S 111 Demokratie Manfred G Schmidt Demokratietheorien Eine Einfuhrung Wiesbaden 2006 S 89 Diktatur Paul Kevenhorster Politikwissenschaft Bd 1 3 Aufl Wiesbaden 2008 ISBN 978 3 531 15214 1 S 237 Monarchie Christoph Sowada Der gesetzliche Richter im Strafverfahren Berlin New York 2002 ISBN 3 11 017066 3 S 56 Republik Thomas Becker Die Hegemonie der Moderne Hildesheim Zurich u a 1996 ISBN 3 487 10134 3 S 19 Hiltrud Nassmacher Politikwissenschaft 5 bearb und erw Aufl Oldenbourg Munchen Wien 2004 ISBN 3 486 20037 2 S 314 ff eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche diese Begrifflichkeit hat zudem eine lange Tradition in Deutschland dargelegt etwa in Friedrich Harms Abhandlungen zur systematischen Philosophie Berlin 1868 S 42 ff online in der Google Buchsuche Otfried Jarren Patrick Donges Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft Eine Einfuhrung 2 uberarb Aufl Wiesbaden 2006 ISBN 3 531 33373 9 S 73 Eckhard Jesse Typologie politischer Systeme der Gegenwart In Grundwissen Politik Hrsg von der Bundeszentrale fur politische Bildung 2 vollig neu uberarb Aufl Bonn 1993 ISBN 3 89331 154 8 S 165 Martin Greiffenhagen Hrsg Handworterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland Ein Lehr und Nachschlagewerk Opladen 1981 ISBN 3 531 21516 7 S 484 Steffen Kailitz Hrsg Schlusselwerke der Politikwissenschaft Wiesbaden 2007 ISBN 3 531 14005 1 S 78 Peter Hoeres Der Krieg der Philosophen Die deutsche und britische Philosophie im Ersten Weltkrieg Paderborn Munchen u a 2004 ISBN 3 506 71731 6 S 39 Franz Xaver Kaufmann Diskurse uber Staatsaufgaben In Dieter Grimm Hrsg Staatsaufgaben Frankfurt am Main 1996 S 15 41 Otfried Jarren Patrick Donges Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft Eine Einfuhrung 2 uberarb Aufl Wiesbaden 2006 S 74 Jarren und Donges bezogen sich bei dieser Definition auf 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