Ein Eisbohrkern ist ein Bohrkern der in der Regel durch eine Bohrung in einem Eisschild oder Gletscher der Kryosphäre ge
Eisbohrkern

Ein Eisbohrkern ist ein Bohrkern, der in der Regel durch eine Bohrung in einem Eisschild oder Gletscher (der Kryosphäre) gewonnen wurde. Eisbohrkerne sind wichtige Klimaarchive; durch ihre Analyse ist es möglich, Informationen über das Klima der Vergangenheit zu erhalten. Diese Art der Klimadatenerfassung ist eine sehr junge, aber zugleich eine der wichtigsten und genauesten Methoden, die heute bekannt sind.

Entwicklung
Der erste Versuch, aus dem Innern eines Eisschildes eine Probe zu entnehmen, wurde vom deutschen Polarforscher Ernst Sorge unternommen. An der Station Eismitte in Zentralgrönland untersuchte er 1930/1931 das Eis in einer 15 m tiefen Grube.
Die ersten Eisbohrkerne gewannen rund 20 Jahre später drei verschiedene internationale Forscherteams: die Norwegisch-Britisch-Schwedische Antarktisexpedition an der Küste des Königin-Maud-Land in den Jahren 1949 bis 1952, das Juneau-Icefield-Forschungsprojekt in Alaska und die französischen Polarexpeditionen in Zentralgrönland. Diese Eisbohrkerne der frühen 50er Jahre waren etwa 100 m lang und erlaubten noch keine detaillierten Analysen.
Als eigentlichen Beginn der Forschung mittels Eisbohrkernen nennt der französische Klimatologe und Glaziologe Jean Jouzel das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/1958. Eine Priorität der in diesem Jahr begründeten Kooperationen war die Gewinnung tiefer Kerne aus den polaren Eisschilden. Im Herbst 1960 begannen Arbeiten in Camp Century im Nordwesten Grönlands, die nach sechs Jahren den ersten ununterbrochenen Eisbohrkern bis auf den Felsboden in 1388 m Tiefe trieben. Das Bohrgerät wurde vom Cold Regions Research and Engineering Laboratory (CRREL) der U.S. Army bereitgestellt. Anschließend gelang es in der Westantarktis, mit demselben Gerät bis 1968 mit einem Bohrkern in der Nähe der Byrd-Station bis in 2164 m Tiefe vorzudringen.
In den frühen 1970er Jahren wurde das Greenland Ice Sheet Project (GISP) geboren, unter Leitung eines Teams der Universität Kopenhagen. Mit einem neu entwickelten Bohrer namens Istuk erreicht das Projekt in drei Feldkampagnen, 1979 – 1981, bei Dye 3 in 2038 m Tiefe anstehendes Gestein.
In der zentralen Ostantarktis begannen im April 1970 sowjetische Forscher nahe der Wostok-Station mit Bohrungen und erreichten im September des gleichen Jahres eine Tiefe von knapp 507 m. Dort wurde schließlich 1998 auch der 3623 m lange Vostok-Eiskern gewonnen, der 420.000 Jahre in die Vergangenheit zurückreicht. Im Februar 2012 stieß das Projekt in 3769 m Tiefe zum Wostoksee durch.
Ein französisches Team führte, nach ersten Bohrungen im ostantarktischen Adélieland, Ende der 1970er Jahre eine 905 m tiefe Bohrung an der Station Dome Concordia (Dome Charlie) in der zentralen Ostantarktis durch. Dieser Ort, auf einer Kuppe des Eisschildes, erlaubte eine einfachere Interpretation der gewonnenen Daten, denn die Akkumulation des Gletschereis erfolgt vertikal und weist kaum seitliche Fließbewegungen auf. Damit kann angenommen werden, dass eingelagertes Eis auch an diesem Ort entstanden ist. Die Australian National Antarctic Research Expeditions bohrten am Law Dome, im ostantarktischen Wilkesland, und am Dome Summit, wo sie 1993 das Gestein erreichten.
Die bei Camp Century und Dye 3 gewonnenen grönländischen Bohrkerne zeigten zwar eine Folge abrupter Klimaschwankungen, lieferten aber keine ausreichenden Informationen über das letzte Interglazial, die Eem-Warmzeit (vor 115.000–126.000 Jahren). Der dänische Paläoklimatologe Willi Dansgaard und sein US-amerikanischer Kollege Wallace Broecker initiierten daher zwei neue Bohrungen, die zeitgleich und unweit voneinander stattfinden sollten. Das europäische Greenland Ice Core Project (GRIP) fand in den Jahren 1990–1992 von der höchsten Stelle des Eisschildes aus statt und erreichte eine Tiefe von fast 3029 m, das 28 km westlich gelegene amerikanische Greenland Ice Shield Project 2 (GISP2, 1990–1993) endete bei 3054 m. Aufgrund von Faltungen des Eises über dem unebenen Felsboden erwiesen sich Schichten mit einem Alter von mehr als 105.000 Jahren in beiden Projekt als nicht verlässlich. Dies motivierte die europäische Tiefbohrung NGRIP (North Greenland Ice Core Project) etwa 200 km nördlich über ebenem Fels in den Jahren 1996–2003. Es gelang einen 3085 Meter langen Bohrkern zu gewinnen, der 123.000 Jahre zurückreicht, also bis in die Mitte der letzten Warmzeit vor der heutigen, der Eem-Warmzeit.
Um Informationen über das gesamte Eem zu erhalten, schloss sich das Projekt North Greenland Eemian ice drilling (NEEM, bis Juli 2010) weiter im Norden Richtung Camp Century an. In diesem Eis konnte eine Sequenz datiert werden, die 128.500 Jahre in die Vergangenheit reicht und damit auch teilweise den Wechsel vom vorletzten Glazial (→ Saale-Kaltzeit) zum Eem dokumentiert.
Lange Zeit galt als ältester Bohrkern der 2004 erborte Eiskern vom europäischen Project EPICA (European Project for Ice Coring in Antarctica). Das Eis in 3270,2 Metern Tiefe ist ca. 900.000 Jahre alt und enthält damit Informationen von mehr als acht Eiszeit-Zyklen. Das älteste erbohrte Eis mit einem Alter von 2,7 Millionen Jahren stammt aus einer horizontalen Bohrung von 2017 in Blaueis in den Allan Hills. Dort werden ältere Eisschichten nach oben getrieben, wenn sich das Eis über felsige Bergrücken schiebt. Der älteste kontinuierliche Bohrkern stammt aus dem europäischen Projekt „“. Anfang 2025 wurde bekannt gegeben, dass man in einer 2800 m tiefen Bohrung in den obersten 2480 m eine ungebrochene Aufzeichnung der letzten 1,2 Millionen Jahren fand.
Landeisschilde

Von Jahr zu Jahr setzt sich eine neue Schicht Eis ab, eine so genannte Jahresschicht. Somit besteht ein solcher Landeisschild aus vielen übereinander liegenden Schichten Eis. Bohrungen werden dabei typischerweise am Scheitel eines Eisschilds durchgeführt, der sogenannten Eisscheide, wo überwiegend nur eine vertikale Bewegungen des Eises stattfindet, so dass Störungen durch seitliche Fließbewegungen vermieden werden.
Eisschilde befinden sich vor allem in der Antarktis und in Grönland. Einige haben eine Dicke von über 3000 m und sind mehrere hunderttausend Jahre alt. Allerdings werden auch Untersuchungen an den Gletschern der polaren und gemäßigten Klimazonen sowie in den Tropen durchgeführt, wie etwa am Kilimandscharo..
Analysen
Je tiefer eine Jahresschicht im Eis liegt, desto älter und dünner ist sie, da das Gewicht der darüber liegenden Schichten sie zusammendrückt und zur Seite fließen lässt. Untersucht man diese einzelnen Schichten, kann man sehr genaue Informationen zu ganz bestimmten Jahren herausfinden, indem man die Schichten von oben abzählt. Die Dicke der einzelnen Jahresschichten gibt dabei Hinweise auf die jeweilige Niederschlagsmenge.
Hinweise auf Ereignisse werden sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt ihres Auftretens, wie auch auf eine gegebenenfalls vorhandene, zeitliche Periodizität hin untersucht. Eisbohrkerne werden immer verglichen, d. h., es wird geprüft, ob sich ein Ereignis in einem anderen, ggf. an ganz anderer Stelle gewonnenen Eisbohrkern, der Spuren aus derselben Zeit zeigt, wiederfinden lässt.
Analysen von Eisbohrkernen sind eine einzigartige Möglichkeit, Informationen über das Klima in Arktis und Antarktis in den vergangenen Jahrzehnten, Jahrhunderten, Jahrtausenden und noch weiter zurückliegenden Zeiträumen zu erlangen. Sie gelten als sehr wichtig für die Klimaforschung, speziell für die Erforschung des Klimawandels, der globalen Erwärmung und der Frage, welcher Anteil des Klimawandels anthropogen (menschengemacht) ist.
siehe auch: Folgen der globalen Erwärmung in der Arktis, Folgen der globalen Erwärmung in der Antarktis
Gasanalysen
Das Eis enthält kleine Luftbläschen, die vor Jahrtausenden eingeschlossen wurden. Von Interesse sind Spurengase; ihr Anteil in der Luft ist weit unter 1 %. Untersucht werden die Konzentrationen von Kohlenstoffdioxid und Methan, da diese Treibhausgase das damalige Klima beeinflussten. Die Analyse der Berylliumisotope und Kohlenstoffisotope lässt auf die damalige Sonnenaktivität schließen. Eine Temperaturanalyse geschieht unter anderem mit Hilfe des δ18O-Signals. Daneben wird auch das Verhältnis von 2H /1H (Deuterium/Wasserstoff) bestimmt, woraus sich zusätzliche Informationen über Verdunstungs- und Kondensationstemperaturen ergeben. So lässt sich aus Eisbohrkernen die Entstehungstemperatur des Niederschlags und damit die Lufttemperatur in den Polargebieten der Erde über annähernd eine Million Jahre rekonstruieren. Das Verhältnis von 3He zu 4He gibt Hinweise auf Änderungen der Ausrichtung des Erdmagnetfeldes. Durch die Analyse des eingeschlossenen 81Kr kann Eis datiert werden, das älter als 50.000 Jahre ist.
Analyse eingeschlossener Feststoffe

Staubgehalt, Ionen- bzw. bestimmte Elementkonzentrationen lassen Rückschlüsse auf die atmosphärischen Zirkulation und die zur Entstehungszeit vorherrschenden mittleren Windstärken zu.
In Eisbohrkernen gefundene Staubschichten können von Vulkanausbrüchen herrühren, die bisweilen Klimaveränderungen angestoßen haben. Eine Datierung der Ausbrüche mit Hilfe von Eisbohrkernen ist erheblich genauer als die Radiokohlenstoffdatierung. Die Leitfähigkeit des Eises liefert Informationen über die Menge vulkanischer Ablagerungen vergangener Ausbrüche. Petrografisch wird Glas vulkanischen Ursprungs mit Elektronenmikroskopen und Sekundärionen-Massenspektrometern untersucht. Die spezifische Konzentration bestimmter Oxide und Spurenelemente kann anschließend mit Proben in Frage kommender Vulkanausbrüche verglichen und zugeordnet werden. Hierbei wird nicht nur mit einer zeitlichen Auflösung von Dekaden und Jahrhunderten untersucht, ob ein Vulkanausbruch klimarelevante Folgen hatte; es wird auch umgekehrt geprüft, ob die Auswirkungen einer Klimaveränderung – wie beispielsweise eine Entgletscherung – einen nachweisbaren Einfluss auf die vulkanische Aktivität hatte.
Daneben kann festgestellt werden, ob gefundene Staubkörnchen terrestrischen oder extraterrestrischen Ursprung haben und ggf. von Meteoriten- bzw. Mikrometeoriteneinschlägen stammen. Es werden Spuren von Iridium (Ir) und Osmium (Os) gesucht. Das Verhältnis von 187Os / 186Os entscheidet, ob die Partikel vulkanischen Ursprung haben oder einem Meteoriteneinschlag zuzuordnen sind. Stammen die Elemente aus der Erdkruste, ist dieses Verhältnis 400 zu 1, bei Meteoriten ist es 3 zu 1.
Andere Stoffe liefern Hinweise auf die Umweltgeschichte und den Einfluss des Menschen. In den grönlandischen Eislagen, die in dem Zeitraum 1100 v. Chr. – 800 n. Chr. datieren, finden sich zum Beispiel Schwermetalle wie Blei, die bei der Silbergewinnung in Europa und dem Mittelmeerraum eingesetzt wurden und mit Luftströmungen nach Norden transportiert und im Eisschild eingelagert wurden. Jahresgenau datierte Bleikonzentrationen korrespondieren eng mit der Wirtschaftsgeschichte der europäischen Antike, etwa Krisen des römischen Reiches oder dem Silbergehalt römischer Münzen. Im arktischen Meereis aus den Jahren 2014 und 2015 wurden pro Liter Eis zwischen 33 und 75.143 Mikroplastik-Teilchen gefunden.
2022 wurde erstmals auch im Schnee der Antarktis Mikroplastik nachgewiesen.
Einlagerung
Die von sieben französischen, italienischen und Schweizer wissenschaftlichen Institutionen gegründete Ice Memory Foundation (dt. etwa Eisgedächtnis-Stiftung) hat sich das Ziel gesetzt, Eisbohrkerne aus ausgewählten bedrohten Gletschern über Jahrzehnte und Jahrhunderte sicher einzulagern. Dies soll bei −50 °C in der Ostantarktis in der Nähe der französisch-italienischen Forschungsstation Station Dome Concordia erfolgen. Damit will die Stiftung für zukünftige Forschung die im Gletschereis enthaltenen Informationen bewahren, die durch die weltweite Gletscherschmelze verlorenzugehen droht. Seit 2016 gewinnt die Stiftung in Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Organisationen in Bohrkampagnen weltweit Eisbohrkerne von schrumpfenden Gletschern, beispielsweise in den französischen und Schweizer Alpen, in den bolivarischen Anden, im russischen Kaukasus und Altai und auf Spitzbergen.
Siehe auch
- Dome F
Literatur
- Willi Dansgaard: Frozen Annals – Greenland Ice Sheet Research. 2005, ISBN 87-990078-0-0 (ku.dk [PDF; 6,8 MB]).
- J. Jouzel: A brief history of ice core science over the last 50 yr. In: Climate of the Past. November 2013, doi:10.5194/cp-9-2525-2013.
- Chester C. Langway: The History of early Polar Ice Cores (= Technical Reports. TR-08-01). Januar 2008 (ku.dk [PDF; 5,6 MB]).
Weblinks
- Ice Sheet Project 2 (engl.)
- Greenland Ice Core Project (GRIP) (engl.)
- Eiskernforschung - Alfred-Wegener-Institut
- Eiskernforschung in der Antarktis wirft neues Licht auf die Rolle des Meereises für den Kohlenstoffhaushalt - Universität Bonn
Einzelnachweise
- Jean Jouzel: A brief history of ice core science over the last 50 yr. In: Climate of the Past. November 2013, doi:10.5194/cp-9-2525-2013.
- Alfred Wegener Institut, Projekt EPICA ( vom 25. Februar 2009 im Internet Archive)
- Paul Voosen: 2.7-million-year-old ice opens window on past. In: Science. Band 357, Nr. 6352, 18. August 2017, S. 630–631, doi:10.1126/science.357.6352.630 (science.org [abgerufen am 16. Januar 2025]).
- Presse Detailansicht - AWI. Abgerufen am 16. Januar 2025.
- Universität Jena; M. Pirrung, M. Kunz-Pirrung, L. Viereck-Götte; Eisschilde und Eiskernarchive ( vom 11. Juni 2007 im Internet Archive)
- Ice Cores That Tell the Past. Greenland Ice Sheet Project 2, abgerufen am 18. März 2024.
- GISP2 Notebook – Number 2, Spring 1992 – GISP2 Update. Greenland Ice Sheet Project 2, abgerufen am 18. März 2024.
- Joseph R. McConnell u. a.: Lead pollution recorded in Greenland ice indicates European emissions tracked plagues, wars, and imperial expansion during antiquity. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 29. Mai 2018, doi:10.1073/pnas.1721818115.
- Ilka Peeken, Sebastian Primpke, Birte Beyer, Julia Gütermann, Christian Katlein, Thomas Krumpen, Melanie Bergmann, Laura Hehemann & Gunnar Gerdts: Arctic sea ice is an important temporal sink and means of transport for microplastic. In: Nature Communications. 2018, doi:10.1038/s41467-018-03825-5.
- Erstmals Mikroplastik im Schnee der Antarktis nachgewiesen. Geo Plus Magazine vom 7. April 2022, abgerufen am 29. April 2023.
- Mikroplastik erstmals in frisch gefallenem Schnee in der Antarktis nachgewiesen. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) vom 15. Juni 2022, abgerufen am 29. April 2023.
- Ice Memory Foundation. Ice Memory Foundation, abgerufen am 18. März 2024.
- Collecting Ice Cores. Ice Memory Foundation, abgerufen am 18. März 2024.
- Saving the ice memory of Svalbard’s glaciers where global warming impacts are going 4 times faster. Centre national de la recherche scientifique, 3. April 2023, abgerufen am 18. März 2024.
Autor: www.NiNa.Az
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Ein Eisbohrkern ist ein Bohrkern der in der Regel durch eine Bohrung in einem Eisschild oder Gletscher der Kryosphare gewonnen wurde Eisbohrkerne sind wichtige Klimaarchive durch ihre Analyse ist es moglich Informationen uber das Klima der Vergangenheit zu erhalten Diese Art der Klimadatenerfassung ist eine sehr junge aber zugleich eine der wichtigsten und genauesten Methoden die heute bekannt sind Der Eisbohrkern wird aus dem Hohlkernbohrer entnommenEntwicklung source source source source source source source track track track Eisbohrkerne als Klimaarchiv Der erste Versuch aus dem Innern eines Eisschildes eine Probe zu entnehmen wurde vom deutschen Polarforscher Ernst Sorge unternommen An der Station Eismitte in Zentralgronland untersuchte er 1930 1931 das Eis in einer 15 m tiefen Grube Die ersten Eisbohrkerne gewannen rund 20 Jahre spater drei verschiedene internationale Forscherteams die Norwegisch Britisch Schwedische Antarktisexpedition an der Kuste des Konigin Maud Land in den Jahren 1949 bis 1952 das Juneau Icefield Forschungsprojekt in Alaska und die franzosischen Polarexpeditionen in Zentralgronland Diese Eisbohrkerne der fruhen 50er Jahre waren etwa 100 m lang und erlaubten noch keine detaillierten Analysen Als eigentlichen Beginn der Forschung mittels Eisbohrkernen nennt der franzosische Klimatologe und Glaziologe Jean Jouzel das Internationale Geophysikalische Jahr 1957 1958 Eine Prioritat der in diesem Jahr begrundeten Kooperationen war die Gewinnung tiefer Kerne aus den polaren Eisschilden Im Herbst 1960 begannen Arbeiten in Camp Century im Nordwesten Gronlands die nach sechs Jahren den ersten ununterbrochenen Eisbohrkern bis auf den Felsboden in 1388 m Tiefe trieben Das Bohrgerat wurde vom Cold Regions Research and Engineering Laboratory CRREL der U S Army bereitgestellt Anschliessend gelang es in der Westantarktis mit demselben Gerat bis 1968 mit einem Bohrkern in der Nahe der Byrd Station bis in 2164 m Tiefe vorzudringen In den fruhen 1970er Jahren wurde das Greenland Ice Sheet Project GISP geboren unter Leitung eines Teams der Universitat Kopenhagen Mit einem neu entwickelten Bohrer namens Istuk erreicht das Projekt in drei Feldkampagnen 1979 1981 bei Dye 3 in 2038 m Tiefe anstehendes Gestein In der zentralen Ostantarktis begannen im April 1970 sowjetische Forscher nahe der Wostok Station mit Bohrungen und erreichten im September des gleichen Jahres eine Tiefe von knapp 507 m Dort wurde schliesslich 1998 auch der 3623 m lange Vostok Eiskern gewonnen der 420 000 Jahre in die Vergangenheit zuruckreicht Im Februar 2012 stiess das Projekt in 3769 m Tiefe zum Wostoksee durch Ein franzosisches Team fuhrte nach ersten Bohrungen im ostantarktischen Adelieland Ende der 1970er Jahre eine 905 m tiefe Bohrung an der Station Dome Concordia Dome Charlie in der zentralen Ostantarktis durch Dieser Ort auf einer Kuppe des Eisschildes erlaubte eine einfachere Interpretation der gewonnenen Daten denn die Akkumulation des Gletschereis erfolgt vertikal und weist kaum seitliche Fliessbewegungen auf Damit kann angenommen werden dass eingelagertes Eis auch an diesem Ort entstanden ist Die Australian National Antarctic Research Expeditions bohrten am Law Dome im ostantarktischen Wilkesland und am Dome Summit wo sie 1993 das Gestein erreichten Die bei Camp Century und Dye 3 gewonnenen gronlandischen Bohrkerne zeigten zwar eine Folge abrupter Klimaschwankungen lieferten aber keine ausreichenden Informationen uber das letzte Interglazial die Eem Warmzeit vor 115 000 126 000 Jahren Der danische Palaoklimatologe Willi Dansgaard und sein US amerikanischer Kollege Wallace Broecker initiierten daher zwei neue Bohrungen die zeitgleich und unweit voneinander stattfinden sollten Das europaische Greenland Ice Core Project GRIP fand in den Jahren 1990 1992 von der hochsten Stelle des Eisschildes aus statt und erreichte eine Tiefe von fast 3029 m das 28 km westlich gelegene amerikanische Greenland Ice Shield Project 2 GISP2 1990 1993 endete bei 3054 m Aufgrund von Faltungen des Eises uber dem unebenen Felsboden erwiesen sich Schichten mit einem Alter von mehr als 105 000 Jahren in beiden Projekt als nicht verlasslich Dies motivierte die europaische Tiefbohrung NGRIP North Greenland Ice Core Project etwa 200 km nordlich uber ebenem Fels in den Jahren 1996 2003 Es gelang einen 3085 Meter langen Bohrkern zu gewinnen der 123 000 Jahre zuruckreicht also bis in die Mitte der letzten Warmzeit vor der heutigen der Eem Warmzeit Um Informationen uber das gesamte Eem zu erhalten schloss sich das Projekt North Greenland Eemian ice drilling NEEM bis Juli 2010 weiter im Norden Richtung Camp Century an In diesem Eis konnte eine Sequenz datiert werden die 128 500 Jahre in die Vergangenheit reicht und damit auch teilweise den Wechsel vom vorletzten Glazial Saale Kaltzeit zum Eem dokumentiert Lange Zeit galt als altester Bohrkern der 2004 erborte Eiskern vom europaischen Project EPICA European Project for Ice Coring in Antarctica Das Eis in 3270 2 Metern Tiefe ist ca 900 000 Jahre alt und enthalt damit Informationen von mehr als acht Eiszeit Zyklen Das alteste erbohrte Eis mit einem Alter von 2 7 Millionen Jahren stammt aus einer horizontalen Bohrung von 2017 in Blaueis in den Allan Hills Dort werden altere Eisschichten nach oben getrieben wenn sich das Eis uber felsige Bergrucken schiebt Der alteste kontinuierliche Bohrkern stammt aus dem europaischen Projekt Anfang 2025 wurde bekannt gegeben dass man in einer 2800 m tiefen Bohrung in den obersten 2480 m eine ungebrochene Aufzeichnung der letzten 1 2 Millionen Jahren fand LandeisschildeLangsschnitt eines Bohrkerns aus dem Gronlandischen Eisschild Von Jahr zu Jahr setzt sich eine neue Schicht Eis ab eine so genannte Jahresschicht Somit besteht ein solcher Landeisschild aus vielen ubereinander liegenden Schichten Eis Bohrungen werden dabei typischerweise am Scheitel eines Eisschilds durchgefuhrt der sogenannten Eisscheide wo uberwiegend nur eine vertikale Bewegungen des Eises stattfindet so dass Storungen durch seitliche Fliessbewegungen vermieden werden Eisschilde befinden sich vor allem in der Antarktis und in Gronland Einige haben eine Dicke von uber 3000 m und sind mehrere hunderttausend Jahre alt Allerdings werden auch Untersuchungen an den Gletschern der polaren und gemassigten Klimazonen sowie in den Tropen durchgefuhrt wie etwa am Kilimandscharo AnalysenJe tiefer eine Jahresschicht im Eis liegt desto alter und dunner ist sie da das Gewicht der daruber liegenden Schichten sie zusammendruckt und zur Seite fliessen lasst Untersucht man diese einzelnen Schichten kann man sehr genaue Informationen zu ganz bestimmten Jahren herausfinden indem man die Schichten von oben abzahlt Die Dicke der einzelnen Jahresschichten gibt dabei Hinweise auf die jeweilige Niederschlagsmenge Hinweise auf Ereignisse werden sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt ihres Auftretens wie auch auf eine gegebenenfalls vorhandene zeitliche Periodizitat hin untersucht Eisbohrkerne werden immer verglichen d h es wird gepruft ob sich ein Ereignis in einem anderen ggf an ganz anderer Stelle gewonnenen Eisbohrkern der Spuren aus derselben Zeit zeigt wiederfinden lasst Analysen von Eisbohrkernen sind eine einzigartige Moglichkeit Informationen uber das Klima in Arktis und Antarktis in den vergangenen Jahrzehnten Jahrhunderten Jahrtausenden und noch weiter zuruckliegenden Zeitraumen zu erlangen Sie gelten als sehr wichtig fur die Klimaforschung speziell fur die Erforschung des Klimawandels der globalen Erwarmung und der Frage welcher Anteil des Klimawandels anthropogen menschengemacht ist siehe auch Folgen der globalen Erwarmung in der Arktis Folgen der globalen Erwarmung in der Antarktis Gasanalysen Das Eis enthalt kleine Luftblaschen die vor Jahrtausenden eingeschlossen wurden Von Interesse sind Spurengase ihr Anteil in der Luft ist weit unter 1 Untersucht werden die Konzentrationen von Kohlenstoffdioxid und Methan da diese Treibhausgase das damalige Klima beeinflussten Die Analyse der Berylliumisotope und Kohlenstoffisotope lasst auf die damalige Sonnenaktivitat schliessen Eine Temperaturanalyse geschieht unter anderem mit Hilfe des d18O Signals Daneben wird auch das Verhaltnis von 2H 1H Deuterium Wasserstoff bestimmt woraus sich zusatzliche Informationen uber Verdunstungs und Kondensationstemperaturen ergeben So lasst sich aus Eisbohrkernen die Entstehungstemperatur des Niederschlags und damit die Lufttemperatur in den Polargebieten der Erde uber annahernd eine Million Jahre rekonstruieren Das Verhaltnis von 3He zu 4He gibt Hinweise auf Anderungen der Ausrichtung des Erdmagnetfeldes Durch die Analyse des eingeschlossenen 81Kr kann Eis datiert werden das alter als 50 000 Jahre ist Analyse eingeschlossener Feststoffe Aus Teilen eines Eisbohrkerns gefertigter Dunnschliff in polarisiertem Licht Quelle Alfred Wegener Institut Staubgehalt Ionen bzw bestimmte Elementkonzentrationen lassen Ruckschlusse auf die atmospharischen Zirkulation und die zur Entstehungszeit vorherrschenden mittleren Windstarken zu In Eisbohrkernen gefundene Staubschichten konnen von Vulkanausbruchen herruhren die bisweilen Klimaveranderungen angestossen haben Eine Datierung der Ausbruche mit Hilfe von Eisbohrkernen ist erheblich genauer als die Radiokohlenstoffdatierung Die Leitfahigkeit des Eises liefert Informationen uber die Menge vulkanischer Ablagerungen vergangener Ausbruche Petrografisch wird Glas vulkanischen Ursprungs mit Elektronenmikroskopen und Sekundarionen Massenspektrometern untersucht Die spezifische Konzentration bestimmter Oxide und Spurenelemente kann anschliessend mit Proben in Frage kommender Vulkanausbruche verglichen und zugeordnet werden Hierbei wird nicht nur mit einer zeitlichen Auflosung von Dekaden und Jahrhunderten untersucht ob ein Vulkanausbruch klimarelevante Folgen hatte es wird auch umgekehrt gepruft ob die Auswirkungen einer Klimaveranderung wie beispielsweise eine Entgletscherung einen nachweisbaren Einfluss auf die vulkanische Aktivitat hatte Daneben kann festgestellt werden ob gefundene Staubkornchen terrestrischen oder extraterrestrischen Ursprung haben und ggf von Meteoriten bzw Mikrometeoriteneinschlagen stammen Es werden Spuren von Iridium Ir und Osmium Os gesucht Das Verhaltnis von 187Os 186Os entscheidet ob die Partikel vulkanischen Ursprung haben oder einem Meteoriteneinschlag zuzuordnen sind Stammen die Elemente aus der Erdkruste ist dieses Verhaltnis 400 zu 1 bei Meteoriten ist es 3 zu 1 Andere Stoffe liefern Hinweise auf die Umweltgeschichte und den Einfluss des Menschen In den gronlandischen Eislagen die in dem Zeitraum 1100 v Chr 800 n Chr datieren finden sich zum Beispiel Schwermetalle wie Blei die bei der Silbergewinnung in Europa und dem Mittelmeerraum eingesetzt wurden und mit Luftstromungen nach Norden transportiert und im Eisschild eingelagert wurden Jahresgenau datierte Bleikonzentrationen korrespondieren eng mit der Wirtschaftsgeschichte der europaischen Antike etwa Krisen des romischen Reiches oder dem Silbergehalt romischer Munzen Im arktischen Meereis aus den Jahren 2014 und 2015 wurden pro Liter Eis zwischen 33 und 75 143 Mikroplastik Teilchen gefunden 2022 wurde erstmals auch im Schnee der Antarktis Mikroplastik nachgewiesen EinlagerungDie von sieben franzosischen italienischen und Schweizer wissenschaftlichen Institutionen gegrundete Ice Memory Foundation dt etwa Eisgedachtnis Stiftung hat sich das Ziel gesetzt Eisbohrkerne aus ausgewahlten bedrohten Gletschern uber Jahrzehnte und Jahrhunderte sicher einzulagern Dies soll bei 50 C in der Ostantarktis in der Nahe der franzosisch italienischen Forschungsstation Station Dome Concordia erfolgen Damit will die Stiftung fur zukunftige Forschung die im Gletschereis enthaltenen Informationen bewahren die durch die weltweite Gletscherschmelze verlorenzugehen droht Seit 2016 gewinnt die Stiftung in Zusammenarbeit mit anderen wissenschaftlichen Organisationen in Bohrkampagnen weltweit Eisbohrkerne von schrumpfenden Gletschern beispielsweise in den franzosischen und Schweizer Alpen in den bolivarischen Anden im russischen Kaukasus und Altai und auf Spitzbergen Siehe auchDome FLiteraturWilli Dansgaard Frozen Annals Greenland Ice Sheet Research 2005 ISBN 87 990078 0 0 ku dk PDF 6 8 MB J Jouzel A brief history of ice core science over the last 50 yr In Climate of the Past November 2013 doi 10 5194 cp 9 2525 2013 Chester C Langway The History of early Polar Ice Cores Technical Reports TR 08 01 Januar 2008 ku dk PDF 5 6 MB WeblinksCommons Eisbohrkerne Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Ice Sheet Project 2 engl Greenland Ice Core Project GRIP engl Eiskernforschung Alfred Wegener Institut Eiskernforschung in der Antarktis wirft neues Licht auf die Rolle des Meereises fur den Kohlenstoffhaushalt Universitat BonnEinzelnachweiseJean Jouzel A brief history of ice core science over the last 50 yr In Climate of the Past November 2013 doi 10 5194 cp 9 2525 2013 Alfred Wegener Institut Projekt EPICA Memento vom 25 Februar 2009 im Internet Archive Paul Voosen 2 7 million year old ice opens window on past In Science Band 357 Nr 6352 18 August 2017 S 630 631 doi 10 1126 science 357 6352 630 science org abgerufen am 16 Januar 2025 Presse Detailansicht AWI Abgerufen am 16 Januar 2025 Universitat Jena M Pirrung M Kunz Pirrung L Viereck Gotte Eisschilde und Eiskernarchive Memento vom 11 Juni 2007 im Internet Archive Ice Cores That Tell the Past Greenland Ice Sheet Project 2 abgerufen am 18 Marz 2024 GISP2 Notebook Number 2 Spring 1992 GISP2 Update Greenland Ice Sheet Project 2 abgerufen am 18 Marz 2024 Joseph R McConnell u a Lead pollution recorded in Greenland ice indicates European emissions tracked plagues wars and imperial expansion during antiquity In Proceedings of the National Academy of Sciences 29 Mai 2018 doi 10 1073 pnas 1721818115 Ilka Peeken Sebastian Primpke Birte Beyer Julia Gutermann Christian Katlein Thomas Krumpen Melanie Bergmann Laura Hehemann amp Gunnar Gerdts Arctic sea ice is an important temporal sink and means of transport for microplastic In Nature Communications 2018 doi 10 1038 s41467 018 03825 5 Erstmals Mikroplastik im Schnee der Antarktis nachgewiesen Geo Plus Magazine vom 7 April 2022 abgerufen am 29 April 2023 Mikroplastik erstmals in frisch gefallenem Schnee in der Antarktis nachgewiesen Bund fur Umwelt und Naturschutz Deutschland e V BUND vom 15 Juni 2022 abgerufen am 29 April 2023 Ice Memory Foundation Ice Memory Foundation abgerufen am 18 Marz 2024 Collecting Ice Cores Ice Memory Foundation abgerufen am 18 Marz 2024 Saving the ice memory of Svalbard s glaciers where global warming impacts are going 4 times faster Centre national de la recherche scientifique 3 April 2023 abgerufen am 18 Marz 2024 Normdaten Sachbegriff GND 4327843 7 GND Explorer lobid OGND AKS