Dieser Artikel befasst sich mit einer französischen Schule der Wissenschaftstheorie Der Ausdruck Epistemologie wird im D
Épistémologie

Der Ausdruck Epistemologie (französisch épistémologie) wird synonym für Erkenntnistheorie verwendet, das Teilgebiet der Philosophie, das sich mit der Frage nach den Bedingungen von begründetem Wissen befasst. Als Bezeichnung für eine spezifische Richtung wird Epistemologie in der internationalen und der historischen Wissenschaftsforschung genutzt, die analysiert, was Wissen zu wissenschaftlichem Wissen macht. An diesen französischen Sprachgebrauch anknüpfend, geht es dabei, wie es der Wissenschaftshistoriker Hans-Jörg Rheinberger formuliert, um die „Reflexion auf die historischen Bedingungen, unter denen, und die Mittel, mit denen Dinge zu Objekten des Wissens gemacht werden, an denen der Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung in Gang gesetzt sowie in Gang gehalten wird“. An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert lässt sich ein Umschlag von der Erkenntnistheorie der klassischen philosophischen Tradition zur Epistemologie im beschriebenen Sinne feststellen. Der vorherige Ausgangspunkt war der des erkennenden Subjektes, das das Verhältnis von Begriff und Objekt in den Mittelpunkt stellt. Ersetzt wird dieses durch die Reflexion des Verhältnisses von Objekt und Begriff, die nun am zu erkennenden Objekt ansetzt. Statt der Frage, wie das erkennende Subjekt seine Gegenstände in den Blick bekommen kann, wird die Frage nach den Bedingungen gestellt, die entweder geschaffen wurden oder geschaffen werden müssen, um Gegenstände unter jeweils zu bestimmenden Bedingungen zu Gegenständen von empirischem Wissen zu machen.
Im Französischen wird bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts zwischen Épistémologie und Erkenntnistheorie unterschieden; der Ausdruck „Épistémologie“ wurde jedoch noch fast bis zum Ende des 20. Jahrhunderts zur Bezeichnung der „Philosophie der Wissenschaften“, aber in einem bestimmten Sinne (, Vocabulaire technique et critique de la Philosophie, Paris 1947) verwendet. Die Vertreter der Épistémologie betonen den Unterschied zwischen Erkenntnistheorie und Épistémologie, weil die Probleme der Wissenschaften unter ausdrücklichem Ausschluss „traditioneller“ philosophisch-weltanschaulicher Grundannahmen untersucht werden sollen. Doch besteht selbst in Frankreich etwa seit Anfang der 1980er Jahre mit der massiven Rezeption der englischsprachigen analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie die deutliche Tendenz, die französische Sonderbedeutung des Ausdrucks aufzugeben und den Ausdruck „Epistemologie“ im Sinn von „Erkenntnistheorie“ zu gebrauchen.
Bachelards wissenschaftlicher Rationalismus
Seit den 1930er Jahren konstituierte sich die Épistémologie in Frankreich als eine Richtung der gegenwärtigen Philosophie. Als Begründer gilt Gaston Bachelard. Er sieht die Épistémologie als „einen neuen Typ der Philosophie“, als das „Selbstbewusstsein“ der Wissenschaften, das er der wissenschaftsfernen Universitätsphilosophie seiner Zeit, die er durch Louis Lavelle, , und andere vertreten sah, wie auch dem logischen Neopositivismus entgegensetzte.
Bachelard bewegt sich zwischen Phänomenologie und Positivismus. Er lehnt die Auffassung ab, wissenschaftliche Erkenntnisse spiegelten eine von ihnen unabhängige Natur wider, und leugnet in diesem Sinn einen wissenschaftsunabhängigen Begriff objektiver Wahrheit. Zwischen der Welt des naiven Bewusstseins und dem wissenschaftlichen Geist gibt es so keine Kontinuität, vielmehr konstituiert sich die Wissenschaft durch die Abgrenzung von den naiven Vorstellungen des vorwissenschaftlichen Denkens. In seinen Hauptwerken Le Nouvel esprit scientifique (1934) und La philosophie du non. Éssai d’une philosophie de nouvel esprit scientifique (1940) formuliert Bachelard die grundlegenden Thesen seines Rationalismus, mit denen er ausdrücklich an Auffassungen Henri Bergsons über „intuition“, „schöpferische Evolution“ und „élan vital“ anknüpft, die er jedoch so stark in seinem Sinn umdeutet, dass sie mit Bergsons lebensphilosophischer Philosophie nicht mehr viel gemeinsam haben.
Die Wissenschaften betrachtet er als je besondere Formen der Rationalität. Da jede Wissenschaft eine eigene „regionale“ Rationalität hat, befürwortet Bachelard einen „epistemologischen Pluralismus“. Auch die Vertreter der neueren Épistémologie wie beispielsweise Michel Serres insistieren auf der spezifischen Bedeutung einer jeden Wissenschaft und lehnen rein philosophische Fragestellungen ab.
Cavaillès’ Philosophie des Begriffs
Eine mit Bachelards Épistémologie verwandte, aber von ihr durch ihren Antisubjektivismus deutlich unterschiedene Erscheinung ist die „Philosophie des Begriffs“ von Jean Cavaillès, der von der mathematischen Logik herkam und gegen Phänomenologie und Neukantianismus eine Philosophie ohne Subjekt konzipierte.
Trotz dieser Unterschiede bildeten beide Ansätze eine gemeinsame Tradition aus, in der die philosophischen Motive von Cavaillès aber zunehmend stärkeres Gewicht erhielten. Zu Bachelards und Cavaillès’ Schülern gehörten Georges Canguilhem und Jules Vuillemin, die die Tradition der Épistémologie auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fortsetzten.
Auf Canguilhem und Vuillemin beziehen sich die französischen Philosophen, Soziologen und Wissenschaftstheoretiker, die an diese Tradition anknüpfen (neben den unten genannten Foucault und Althusser etwa auch Pierre Bourdieu). Auf Cavaillès hat sich auch Jacques Derrida in seinen frühen Arbeiten berufen.
Althussers marxistischer Antihumanismus
In den 1960er Jahren unternahm Louis Althusser den Versuch, eine Epistemologie auf marxistischer Grundlage auszuarbeiten, die sich auf eine neue „epistemologische Lektüre“ des marxschen Hauptwerks Das Kapital gründen sollte (Pour Marx, Lire le Capital).
Sein Versuch sollte vor allem dem Mechanismus der abstrakt „humanistischen“ Fehlinterpretation der marxistischen Grundlagen entgegentreten. Dabei stützte er sich weitgehend auf die Thesen von Bachelard und Canguilhem, in deren Nachfolge er die Wissenschaft (in seinem Verständnis: die marxistische Theorie des Kapitalismus) und Ideologie durch einen „epistemologischen Schnitt“ (coupure épistémologique) voneinander getrennt sah. In seiner Marxinterpretation trennte er so zwischen dem von anthropologischen Motiven bestimmten Frühwerk und Marx’ reifen ökonomischen Arbeiten, in denen sich keine Bezüge auf aus der idealistischen Philosophie stammende „humanistische“ Kategorien mehr finden.
Da der „Humanismus“ einer der Hauptbegriffe des Stalinismus der 1950er Jahre war, führte Althussers „antihumanistische“ Polemik zu erheblichen Auseinandersetzungen innerhalb der Kommunistischen Partei Frankreichs und unter den damals stark marxistisch geprägten Intellektuellen. Auch Foucaults erklärter Antihumanismus ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Die Verteidigung des „Humanismus“ gegen Althusser und Foucault im Namen der kommunistischen Partei übernahm der seinerzeitige Vordenker der Partei, Roger Garaudy.
An Althusser schloss sich ein Kreis von Studenten an der École normale supérieure an, die zusammen mit ihm zu den Verfassern des Buches Lire le Capital gehörten. Da sie auch zu den Hörern Jacques Lacans gehörten, wurde auch das Spätwerk Lacans von den wissenschaftstheoretischen Überlegungen der Épistémologie, vor allem in der von Georges Canguilhem vertretenen Form, beeinflusst.
Foucaults strukturalistische Épistémologie
Die Vertreter der französischen Épistémologie räumen der Wissenschaftsgeschichte einen besonderen Platz ein. Gegen die positivistische Geschichtsschreibung, die die Geschichte als linearen und kumulativen Prozess deutet, heben die Epistemologen die Diskontinuität hervor. Wissenschaftsgeschichte ist eine histoire récurrente („retrospektive Geschichte“).
An diese Auffassung knüpft Michel Foucault in seinen beiden Werken Les mots et les choses (1966) und L’archéologie du savoir (1969) an, die die Auseinandersetzungen um die Épistémologie in Frankreich belebten und im Anschluss an Althusser und Canguilhem den Versuch darstellten, eine strukturalistische Épistémologie auszuarbeiten. In späteren Jahren hat Foucault sich jedoch von diesen beiden Werken und der in ihnen vertretenen Konzeption distanziert.
Der zentrale Begriff der foucaultschen Épistémologie in ihrer strukturalistischen Phase ist der Begriff „Epistémè“. Mit ihm ist die Struktur des Denkens jeder Epoche gemeint, die den Wissenschaften das Gepräge gibt. Mit dem Begriff „Epistémè“ ist der „theoretische Antihumanismus“ der strukturalen Épistémologie verbunden, der sich von der Zentralstellung des Erkenntnissubjekts in der Phänomenologie und im Neukantianismus und des Menschen in den Geisteswissenschaften (im Französischen: „sciences de l’homme“) verabschiedet, die mit einer polemisch zu verstehenden Formulierung als „Humanismus“ bezeichnet werden. Die Kritik daran formulierte Foucault in der Forderung, „sogar die Idee vom Menschen in der Forschung und im Denken überflüssig zu machen“. Das ermögliche es, die den Menschen konstituierenden Bedingungen analytisch in den Blick zu nehmen.
Literatur
- Roderick M. Chisholm: Erkenntnistheorie. dtv wissenschaft, München 1979 (Originaltitel: Theory of Knowledge. Prentice-Hall, Englewood-Cliffs NJ 1977).
- Étienne Balibar: Écrits pour Althusser. La Découverte, Paris 1991 (= Armillaire). Dort zu Althussers Begriff des „epistemologischen Einschnitts“.
- Pierre Cassou-Noguès: De l’expérience mathématique. Essai sur la philosophie des sciences de Jean Cavaillès (= Problèmes et controverses). Vrin, Paris 2001.
- Claude Debru: Canguilhem, science et non-science. Rue d’Ulm, Paris 2004.
- Dominique Lecourt: Kritik der Wissenschaftstheorie. Übersetzt von Irmela Neu. Verlag für das Studium der Arbeiterbewegung, Berlin 1975. Originaltitel: Pour une critique de l’épistémologie.
- Hans-Jörg Rheinberger: Historische Epistemologie zur Einführung. 2. Auflage. Junius, Hamburg 2007, ISBN 978-3-88506-636-1.
- Gunnar Schumann: Epistemische Rechtfertigung und Wahrheit als Empfehlung. Mentis, Münster 2013, ISBN 978-3-89785-776-6, (Dissertation [Universität nicht angegeben] 2011).
- Bernhard Waldenfels: Phänomenologie in Frankreich. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, darin Abschnitte zu Canguilhem, Vuillemin, Althusser und Foucault.
- Ndjate-Lotanga Wetshingolo: La nature de la connaissance scientifique. L’épistémologie meyersonienne face à la critique de Gaston Bachelard (= Europäische Hochschulschriften. XX: Philosophie. Band 497). Lang, Bern u. a. 1996, ISBN 3-906754-43-X.
- Jean-Jacques Wunenburger (Hrsg.): Bachelard et l’épistémologie française (= Débats philosophiques). PUF Presses universitaires de France, Paris 2003, ISBN 978-2-13-051535-7.
- Jean-Claude Vuillemin: Réflexions sur l’épistémè foucaldienne (= Cahiers Philosophiques. Band 130). 2012, S. 39–50, OCLC 840544899 (Volltext).
- Henning Schmidgen, Jean-Francois Braunstein, Peter Schöttler (Hrsg.): Epistemology and History. From Bachelard and Canguilhem to Today’s History of Science (PDF; 1,4 MB). Berlin 2012 (= MPIWG Preprint 434).
Weblinks
Einzelnachweise
- Historische Epistemologie: Zur Einführung ( vom 7. September 2014 im Internet Archive)
- Foucault: Absage an Sartre. In: Alternative, 1967, Heft 54.
- Vita
- Verlagstext zum Autor ( des vom 9. Oktober 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
Autor: www.NiNa.Az
Veröffentlichungsdatum:
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mit denen Dinge zu Objekten des Wissens gemacht werden an denen der Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung in Gang gesetzt sowie in Gang gehalten wird An der Wende vom 19 zum 20 Jahrhundert lasst sich ein Umschlag von der Erkenntnistheorie der klassischen philosophischen Tradition zur Epistemologie im beschriebenen Sinne feststellen Der vorherige Ausgangspunkt war der des erkennenden Subjektes das das Verhaltnis von Begriff und Objekt in den Mittelpunkt stellt Ersetzt wird dieses durch die Reflexion des Verhaltnisses von Objekt und Begriff die nun am zu erkennenden Objekt ansetzt Statt der Frage wie das erkennende Subjekt seine Gegenstande in den Blick bekommen kann wird die Frage nach den Bedingungen gestellt die entweder geschaffen wurden oder geschaffen werden mussen um Gegenstande unter jeweils zu bestimmenden Bedingungen zu Gegenstanden von empirischem Wissen zu machen Im Franzosischen wird bereits seit Anfang des 20 Jahrhunderts zwischen Epistemologie und Erkenntnistheorie unterschieden der Ausdruck Epistemologie wurde jedoch noch fast bis zum Ende des 20 Jahrhunderts zur Bezeichnung der Philosophie der Wissenschaften aber in einem bestimmten Sinne Vocabulaire technique et critique de la Philosophie Paris 1947 verwendet Die Vertreter der Epistemologie betonen den Unterschied zwischen Erkenntnistheorie und Epistemologie weil die Probleme der Wissenschaften unter ausdrucklichem Ausschluss traditioneller philosophisch weltanschaulicher Grundannahmen untersucht werden sollen Doch besteht selbst in Frankreich etwa seit Anfang der 1980er Jahre mit der massiven Rezeption der englischsprachigen analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie die deutliche Tendenz die franzosische Sonderbedeutung des Ausdrucks aufzugeben und den Ausdruck Epistemologie im Sinn von Erkenntnistheorie zu gebrauchen Bachelards wissenschaftlicher RationalismusSeit den 1930er Jahren konstituierte sich die Epistemologie in Frankreich als eine Richtung der gegenwartigen Philosophie Als Begrunder gilt Gaston Bachelard Er sieht die Epistemologie als einen neuen Typ der Philosophie als das Selbstbewusstsein der Wissenschaften das er der wissenschaftsfernen Universitatsphilosophie seiner Zeit die er durch Louis Lavelle und andere vertreten sah wie auch dem logischen Neopositivismus entgegensetzte Bachelard bewegt sich zwischen Phanomenologie und Positivismus Er lehnt die Auffassung ab wissenschaftliche Erkenntnisse spiegelten eine von ihnen unabhangige Natur wider und leugnet in diesem Sinn einen wissenschaftsunabhangigen Begriff objektiver Wahrheit Zwischen der Welt des naiven Bewusstseins und dem wissenschaftlichen Geist gibt es so keine Kontinuitat vielmehr konstituiert sich die Wissenschaft durch die Abgrenzung von den naiven Vorstellungen des vorwissenschaftlichen Denkens In seinen Hauptwerken Le Nouvel esprit scientifique 1934 und La philosophie du non Essai d une philosophie de nouvel esprit scientifique 1940 formuliert Bachelard die grundlegenden Thesen seines Rationalismus mit denen er ausdrucklich an Auffassungen Henri Bergsons uber intuition schopferische Evolution und elan vital anknupft die er jedoch so stark in seinem Sinn umdeutet dass sie mit Bergsons lebensphilosophischer Philosophie nicht mehr viel gemeinsam haben Die Wissenschaften betrachtet er als je besondere Formen der Rationalitat Da jede Wissenschaft eine eigene regionale Rationalitat hat befurwortet Bachelard einen epistemologischen Pluralismus Auch die Vertreter der neueren Epistemologie wie beispielsweise Michel Serres insistieren auf der spezifischen Bedeutung einer jeden Wissenschaft und lehnen rein philosophische Fragestellungen ab Cavailles Philosophie des BegriffsEine mit Bachelards Epistemologie verwandte aber von ihr durch ihren Antisubjektivismus deutlich unterschiedene Erscheinung ist die Philosophie des Begriffs von Jean Cavailles der von der mathematischen Logik herkam und gegen Phanomenologie und Neukantianismus eine Philosophie ohne Subjekt konzipierte Trotz dieser Unterschiede bildeten beide Ansatze eine gemeinsame Tradition aus in der die philosophischen Motive von Cavailles aber zunehmend starkeres Gewicht erhielten Zu Bachelards und Cavailles Schulern gehorten Georges Canguilhem und Jules Vuillemin die die Tradition der Epistemologie auch in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts fortsetzten Auf Canguilhem und Vuillemin beziehen sich die franzosischen Philosophen Soziologen und Wissenschaftstheoretiker die an diese Tradition anknupfen neben den unten genannten Foucault und Althusser etwa auch Pierre Bourdieu Auf Cavailles hat sich auch Jacques Derrida in seinen fruhen Arbeiten berufen Althussers marxistischer AntihumanismusIn den 1960er Jahren unternahm Louis Althusser den Versuch eine Epistemologie auf marxistischer Grundlage auszuarbeiten die sich auf eine neue epistemologische Lekture des marxschen Hauptwerks Das Kapital grunden sollte Pour Marx Lire le Capital Sein Versuch sollte vor allem dem Mechanismus der abstrakt humanistischen Fehlinterpretation der marxistischen Grundlagen entgegentreten Dabei stutzte er sich weitgehend auf die Thesen von Bachelard und Canguilhem in deren Nachfolge er die Wissenschaft in seinem Verstandnis die marxistische Theorie des Kapitalismus und Ideologie durch einen epistemologischen Schnitt coupure epistemologique voneinander getrennt sah In seiner Marxinterpretation trennte er so zwischen dem von anthropologischen Motiven bestimmten Fruhwerk und Marx reifen okonomischen Arbeiten in denen sich keine Bezuge auf aus der idealistischen Philosophie stammende humanistische Kategorien mehr finden Da der Humanismus einer der Hauptbegriffe des Stalinismus der 1950er Jahre war fuhrte Althussers antihumanistische Polemik zu erheblichen Auseinandersetzungen innerhalb der Kommunistischen Partei Frankreichs und unter den damals stark marxistisch gepragten Intellektuellen Auch Foucaults erklarter Antihumanismus ist vor diesem Hintergrund zu sehen Die Verteidigung des Humanismus gegen Althusser und Foucault im Namen der kommunistischen Partei ubernahm der seinerzeitige Vordenker der Partei Roger Garaudy An Althusser schloss sich ein Kreis von Studenten an der Ecole normale superieure an die zusammen mit ihm zu den Verfassern des Buches Lire le Capital gehorten Da sie auch zu den Horern Jacques Lacans gehorten wurde auch das Spatwerk Lacans von den wissenschaftstheoretischen Uberlegungen der Epistemologie vor allem in der von Georges Canguilhem vertretenen Form beeinflusst Foucaults strukturalistische EpistemologieDie Vertreter der franzosischen Epistemologie raumen der Wissenschaftsgeschichte einen besonderen Platz ein Gegen die positivistische Geschichtsschreibung die die Geschichte als linearen und kumulativen Prozess deutet heben die Epistemologen die Diskontinuitat hervor Wissenschaftsgeschichte ist eine histoire recurrente retrospektive Geschichte An diese Auffassung knupft Michel Foucault in seinen beiden Werken Les mots et les choses 1966 und L archeologie du savoir 1969 an die die Auseinandersetzungen um die Epistemologie in Frankreich belebten und im Anschluss an Althusser und Canguilhem den Versuch darstellten eine strukturalistische Epistemologie auszuarbeiten In spateren Jahren hat Foucault sich jedoch von diesen beiden Werken und der in ihnen vertretenen Konzeption distanziert Der zentrale Begriff der foucaultschen Epistemologie in ihrer strukturalistischen Phase ist der Begriff Episteme Mit ihm ist die Struktur des Denkens jeder Epoche gemeint die den Wissenschaften das Geprage gibt Mit dem Begriff Episteme ist der theoretische Antihumanismus der strukturalen Epistemologie verbunden der sich von der Zentralstellung des Erkenntnissubjekts in der Phanomenologie und im Neukantianismus und des Menschen in den Geisteswissenschaften im Franzosischen sciences de l homme verabschiedet die mit einer polemisch zu verstehenden Formulierung als Humanismus bezeichnet werden Die Kritik daran formulierte Foucault in der Forderung sogar die Idee vom Menschen in der Forschung und im Denken uberflussig zu machen Das ermogliche es die den Menschen konstituierenden Bedingungen analytisch in den Blick zu nehmen LiteraturRoderick M Chisholm Erkenntnistheorie dtv wissenschaft Munchen 1979 Originaltitel Theory of Knowledge Prentice Hall Englewood Cliffs NJ 1977 Etienne Balibar Ecrits pour Althusser La Decouverte Paris 1991 Armillaire Dort zu Althussers Begriff des epistemologischen Einschnitts Pierre Cassou Nogues De l experience mathematique Essai sur la philosophie des sciences de Jean Cavailles Problemes et controverses Vrin Paris 2001 Claude Debru Canguilhem science et non science Rue d Ulm Paris 2004 Dominique Lecourt Kritik der Wissenschaftstheorie Ubersetzt von Irmela Neu Verlag fur das Studium der Arbeiterbewegung Berlin 1975 Originaltitel Pour une critique de l epistemologie Hans Jorg Rheinberger Historische Epistemologie zur Einfuhrung 2 Auflage Junius Hamburg 2007 ISBN 978 3 88506 636 1 Gunnar Schumann Epistemische Rechtfertigung und Wahrheit als Empfehlung Mentis Munster 2013 ISBN 978 3 89785 776 6 Dissertation Universitat nicht angegeben 2011 Bernhard Waldenfels Phanomenologie in Frankreich Suhrkamp Frankfurt am Main 1983 darin Abschnitte zu Canguilhem Vuillemin Althusser und Foucault Ndjate Lotanga Wetshingolo La nature de la connaissance scientifique L epistemologie meyersonienne face a la critique de Gaston Bachelard Europaische Hochschulschriften XX Philosophie Band 497 Lang Bern u a 1996 ISBN 3 906754 43 X Jean Jacques Wunenburger Hrsg Bachelard et l epistemologie francaise Debats philosophiques PUF Presses universitaires de France Paris 2003 ISBN 978 2 13 051535 7 Jean Claude Vuillemin Reflexions sur l episteme foucaldienne Cahiers Philosophiques Band 130 2012 S 39 50 OCLC 840544899 Volltext Henning Schmidgen Jean Francois Braunstein Peter Schottler Hrsg Epistemology and History From Bachelard and Canguilhem to Today s History of Science PDF 1 4 MB Berlin 2012 MPIWG Preprint 434 WeblinksWiktionary Epistemologie Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweiseHistorische Epistemologie Zur Einfuhrung Memento vom 7 September 2014 im Internet Archive Foucault Absage an Sartre In Alternative 1967 Heft 54 Vita Verlagstext zum Autor Memento des Originals vom 9 Oktober 2016 im Internet Archive Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2